Seit 1. März 2024 ist der erste nationale Kollektivvertrag für Schauspieler:innen im Bereich Film/audiovisuelle Medien (CCNL per il cineaudiovisivo) in Kraft. Er wurde von drei Arbeitgeberverbänden (Anica, Apa und Ape) auf der einen Seite und den Gewerkschaften SLC-CGIL, Fistel CISL und UILCOM UIL auf der anderen Seite unterzeichnet.
Die 23 Artikel des neuen KV (Laufzeit: drei Jahre) sollen einen Rahmen für Vertragsformen, Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Kategorie schaffen.
Was steht im Kollektivvertrag, das ihr wissen solltet?
Arbeitsverhältnis
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Schauspieler:in als befristet Beschäftigte anzustellen – nur auf Wunsch bzw. nach Ermessen der Schauspieler:in ist auch selbständige Arbeit (z.B. auf Rechnung) möglich. Kündigungen ohne triftigen Grund durch die Produktion sind als nichtig zu betrachten und verpflichten zur Zahlung der gesamten Vertragslaufzeit. Ausweichtermine während der Vertragslaufzeit werden anerkannt und vergütet.
Verfügbarkeit
Die Verpflichtung der Schauspieler:in, sich in der Zeit zwischen den vorgesehenen Drehtagen (auch an Tagen, an denen keine Dreharbeiten vorgesehen sind) zur Verfügung zu halten und ihr äußeres Erscheinungsbild nicht zu verändern, muss entlohnt werden mit einer Pauschalvergütung für jede ununterbrochene Woche (in der kein Drehtag ausgeführt wird), in Höhe von 20 % der Mindestgage der jeweiligen Gruppe.
Taggelder, Fahrtspesen, Castings, Proben
Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten für Fahrtspesen, Unterkunft und Verpflegung (Taggelder), wenn der Drehort nicht dem Ort des Wohnsitzes entspricht. An- und Abreisetage werden mit 30 % der Mindestgage vergütet. Für Reisetage von einem Drehort zum anderen wird ein figurativer Beitrag angesetzt (d.h. dieser Tag wird zwar nicht bezahlt – weder Arbeitgeber:in noch Arbeitnehmer:in zahlen dafür Sozialbeiträge ein –, er ist jedoch für die Rente anrechenbar).
Wenn das Honorar die Mindestgage + 30 % nicht überschreitet, werden Probetage als Arbeitstage anerkannt (ausgenommen sind Maskenproben, für die jedoch figurative Beiträge anerkannt werden).
Erster und zweiter Castingtermin (Call-Back) müssen vergütet werden, wenn sie außerhalb der Region des Wohnortes stattfinden.
Mindestgagen (siehe nachfolgende Tabelle)
Der neue KV teilt die Künstler:innen in drei Honorargruppen ein: Hauptdarsteller:innen, Nebendarsteller:innen, andere Rollen.
Wichtig: Dabei handelt es sich um Untergrenzen, die Lohnverhandlungen nach oben nicht ausschließen.
Gruppe 1: (Episoden-) Hauptrollen | Gruppe 1: (Episoden-) Hauptrollen | Gruppe 3: Andere Rollen (z.B. Tagesrollen) | |
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1–7 Drehtage | € 1.100,- | € 850,- | € 650,- |
Ab 8. Drehtag | € 1.100,- | € 650,- | € 450,- |
Für "lunga serialità" (ab 8 Episoden à 50 Min) | € 900,- | € 650,- | € 450,- |
Für "lunghissima serialità" (ab 40 Episoden à 25 Min) | € 550,- | € 500,- | € 450,- |
|
€ 550,- | € 425,- | € 325,- |
Künstliche Intelligenz
Der KV soll vor dem Missbrauch künstlicher Intelligenz in der Filmbranche schützen und erkennt Rechte für Schauspieler:innen aus deren Nutzung an. Außerdem regt er zu technologischen und regulatorischen Entwicklungen im Film- und audiovisuellen Sektor an
Geschlechtergleichstellung
Bekämpfung des Gender Gaps und der Ungleichbehandlung von LGBTQ+-Personen. Ebenfalls Teil des KV ist der Verweis auf die Intimacy Koordinator:in, um jegliche Form sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern und einen respektvollen und sicherer Umgang zwischen den Beteiligten zu gewährleisten.
Wie ist der Kollektivvertrag zu bewerten?
Verglichen mit den Kollektivverträgen anderer europäischer Länder (insbesondere Deutschland) ist der italienische Kollektivvertrag aus unserer Sicht leider in weiten Teilen eine verpasste Chance. Die Formulierungen sind oft zu schwammig und uneindeutig, um einen echten Schutz für Schauspieler:innen zu bieten, die Mindestgagen sind im internationalen Vergleich zu niedrig angesetzt und die Einführung von drei Tarif-Gruppen (Hauptdarsteller, Nebendarsteller, andere) kann kontraproduktiv für uns sein, da die Tarif-Untergrenze der nächsthöheren Kategorie als „Deckel“ für die untere Kategorie missinterpretiert werden könnte.
Wir als PERFAS hatten daher schon 2022 in einem Zoom-Gespräch mit der Gewerkschaft SLC CGIL in Rom eindringlich empfohlen, nach deutschem Vorbild nur zwei Kategorien für „Berufseinsteiger:innen“ und „Schauspieler:innen ab 5 Jahren Berufserfahrung“ einzuführen (mit einem Minimum von 850,- Euro). Dieser Vorschlag hätte suggeriert, dass Gagen mit zunehmendem Alter und Erfahrung steigen müssen und es wirklich nur um absolute Untergrenzen geht, die nicht unterschritten werden dürfen.
Wir beobachten selbstverständlich die weitere Entwicklung und Aktualisierungen des ersten KV und halten euch dazu auf dem Laufenden.
Aktualisierte PERFAS-Infobroschüre zu Gagen in Film, TV und Werbung
Wir haben die neuen Regelungen des CCNL zum Anlass genommen, um unsere PERFAS-Infobroschüre zu Schauspielgagen im Film für euch zu überarbeiten und zu aktualisieren.
In diesem Leitfaden findet ihr viel Wissenswertes (nicht nur für Berufseinsteiger:innen) rund um das Thema Gagen in Film, Fernsehen und Werbung im deutschen und im italienischen Sprachraum.